Piz Bernina über den Biancograt
Aktualisiert: 9. Sept 2020
Der Piz Bernina (4049m) ist der östlichste der 82 Viertausender, die in den Alpen stehen. Dazu ist er ein recht unnahbarer Berg, denn sein Gipfel befindet sich nicht nur in vertikaler, sondern auch in horizontaler Hinsicht ziemlich weit weg vom letzten Talort. Eine Besteigung erfordert darum in jedem Fall einen weiten Zustieg, sowie Kletterstellen im zweiten bis dritten Schwierigkeitsgrad. Ein besonders schöner und aussichtsreicher Weg auf den Piz Bernina ist der Biancograt und die anschließende Überschreitung des Piz Bernina. Die eindrucksvolle Firnschneide des Biancograts ist schon von St. Moritz aus gut zu erkennen und weit über die Grenzen der Alpen hinaus bekannt.

Routendaten der Überschreitung
Schwierigkeit: UIAA 3, 50° im Eis
Absicherung: Abseilstände an Bohrhaken und einige gebohrte, sowie geschlagene Zwischenhaken und Fixschlingen in den Felspassagen
Material: ein 60m Seil, ein paar Cams und Stopper, Bandschlingen und zwei - drei Eisschrauben zur weiteren Absicherung
Erstbegeher: Hans Grass, Johann Gross, Paul Güßfeld 1878

Der Zustieg zum Biancograt beginnt in unserem Fall am Bahnhof Pontresina und führt zunächst durch das Val Rosegg Richtung Tschiervagletscher. Dieser Wegabschnitt ist landschaftlich von Beginn an toll, man bewegt sich durch ein wunderschönes Hochgebirgstal, über bewaldete Hänge und Gletschermoränen, bis die Landschaft immer weniger Vegetation aufweist und man links des Gletschers über Geröllhänge traversiert bis man schließlich hinunter auf den Gletscher steigt.

Dann geht's hoch zur Scharte zwischen Piz Morteratsch und Piz Bernina. Dabei kann man verschiedene Varianten wählen, entweder ein drahtseilversicherter Steig durch die steile Westseite der Scharte oder etwas weiter rechts den Gletscher hoch, der dort etwa 50° steil ist. Wir entschieden uns für das Eis, weil's schneller geht und wir nicht nach den paar Metern schon wieder unsere ganze Gletscherausrüstung einpacken wollten.

Auf der Scharte angekommen starteten wir gleich los Richtung Biancograt. Der erste Gratabschnitt fordert Felskletterei im dritten Schwierigkeitsgrad und wir legten ihn Durchgehend am laufenden Seil zurück. Man findet hier immer wieder ein paar fixe Sicherungen und kann massig mobile Zwischensicherungen anbringen. Sehr interessant auf Hochtour sind auch immer die Fixfriends die man dort vorfindet, denn diese werden ja selten freiwillig zurückgelassen und hier stolperten wir doch über so einige.

Um wieder auf den Gletscher und damit zum Hauptteil des Biancograts zu gelangen, muss man entweder recht früh anfangen sich durch die steile Eisflanke zur Firnschneide hoch zu pickeln oder noch einige Hohl-Höhenmeter am Grat zurücklegen und am Ende auf die Firnschneide abseilen. Das fanden wir beides blöd und so kletterten wir einfach direkt dazwischen bolzengrad durch die steile Felsflanke und traten mit einem bequemen Schritt auf die Firnschneide. Diese Direktvariante mussten wir zwar selber absichern und sie war auch Klettertechnisch ein bisschen schwerer als die beiden Alternativanstiege, aber auch den 4. Grad klettern Ali und ich noch solide am laufenden Seil und so sparten wir auch heir ein wenig Zeit ein ohne uns groß zu beeilen.



Der Firngrat selbst ist easy zu gehen, manchmal muss man den Pickel zwar auch mit der Haue im Eis versänken, doch insgesamt halten sich diese Passagen in Grenzen. Am Ender dieses verdammt langen Wegabschnitts kommt man auf dem Piz Bianco raus und tauscht die Eisausrüstung wieder gegen Felsausrüstung um die letzten, felsigen und sehr ausgesetzten Meter zum Gipfel des Piz Bernina zurücklegen zu können.


Der sehr imposante Gipfelaufschwung ist leichter als er aussieht, doch der Gipfelgrat der zum Gipfel führt ist wesentlich länger als man von unten vermuten würde. Der Gipfel ist sehr schön und bietet eine Tolle Aussicht. Zum Pilgern aber nicht geeignet, das einzige Gipfelkreuz das man hier findet ist ein X auf dem Boden, das den höchsten Punkt markieren soll.

Auf dem Gipfel warten wir noch eine Weile auf zwei Polen, die wir beim raufgehen getroffen haben, die ließen sich aber bissle arg lang Zeit und wir stiegen über den Spallagrat ab bevor sie dort eintrafen.


Nach zwei Abseilstellen stehen wir wieder auf dem Gletscher und steigen zum Refugio Marco e Rosa ab. Die Hüttenwirte dort sind sehr nett und freundlich solange sie glauben man übernachtet in ihrem Hühnerverschlag, sobald wir kund taten dass wir lieber etwas abseits draußen schlafen waren sie nur noch pampik. Und das obwohl die Hütte jede Nacht voll belegt sein dürfte.

Am nächsten Tag wählten wir den Abstieg über den Piz Palü, was nochmal richtig Spaß machte, trotz der schweren Biwakrucksäcke. Das Auto hatte Ali sowieso unten an der Diavolezza stehen, eine geradezu brilliante Idee, denn dort ist der Parkplatz kostenlos und in Pontresina zahlt man 9 Euro pro Tag. So kamen wir nach drei schönen Bergtagen wieder im Tal an.





Unten an der Talstation der Diavolezza angekommen, nach 2500 Höhenmetern, drei Tagen Klettern und Übernachten unter freiem Himmel holte uns die Lebensrealität ein, die man heute normal nennt. Hier ein Symbolisches Bild dafür:

Lustig anzuschauen, ansonsten aber schon ziemlich affig. Wir waren jedenfalls froh alles ohne Seilbahn oder Förderband gemacht zu haben, denn so konnten wir ein unfergessliches, echtes Abenteuer ohne doppelten Boden zusammen erleben. Genau dafür sind wir ja auch hergekommen.
Viele liebe Grüße
Jakob und Ali