Den Westpfeiler der Roten Platte hab ich zum ersten mal im Film "Luft unter den Sohlen" von Jürgen Schafroth gesehen. Das zweite Mal lief ich drunter durch als ich mit m Andi Steck die "Familienbande" an der Fallenbacherspitze gemacht hab. (Über die Route gibt's natürlich auch nen Tourenbericht im Routenbuch.) Jedes Mal war ich so beeindruckt von dieser Wand, dass ich dort unbedingt mal rauf wollte. Wann war mir eigentlich egal, doch als ich Jo eines Nachmittags den Panico-Lechtal-Kletterführer in die Hand drückte und meinte er solle sich irgendeine Route aus dem Buch raussuchen, die wir am Wochenende gemeinsam klettern können, blätterte er dreimal um, sah den Pfeiler und meinte: "Das schaut geil aus, das machen wir".

Obwohl Jo lange verletzt war und erst vor vier Monaten überhaupt wieder mit
dem Klettern begonnen hat, war auch er dafür den "Weg der Bunten Steine"(8) in Angriff zu nehmen, nicht die leichtere Nachbarroute "König der Lüfte"(7+). Diese soll zwar sogar noch schöner sein als der "Weg der bunten Steine" und ich werde das mit Sicherheit noch überprüfen, doch da es die erste Route in der Wand war wollten wir, dass auch unser erster Kontakt mit dieser Wand über diese Route stattfindet. Außerdem, wenn man einen Achter packt, macht man auch gerne den Achter, sonst lohnt es sich ja gar nicht zu trainieren. Und trainieren tut man in meinem Alter ja mit Freude und wenn man so alt ist wie Jo anscheinend auch noch. So machten wir zwei Sportsmänner uns am Freitag Nachmittag auf den Weg ins Lechtal und fuhren den steilen Forstweg bis zur Alperschonalpe mit unseren ganz normalen, unmotorisierten Fahrrädern hoch. Ich als überzeugter Verkehrsweganer ertrug die Strapazen mit Fassung, während Jo meinte, dass er sich das nächste Mal, wenn ich ihm was von "fair means" erzähle, präventiv irgendwo ein E-Bike schnorren würde.

Nach 15min gemütlichem Weiterwandern entlang des Alperschonbaches ließen wir uns am Rand eines Tobels nieder, der direkt von der Roten Platte herunterkommt und verbrachten da noch einen gemütlichen Abend bevor es Tags drauf zum Klettern gehen würde. Am nächsten Morgen machten wir uns ausgeschlafen auf den Weg zum Einstieg. Eine Stunde weglose Kraxelei die uns mit den schweren Biwakrucksäcken sicher nicht gefallen hätte, aber so, nur mit dem Kletterzeug waren wir ruckzuck auf dem Absatz an dem der "Weg der bunten Steine" beginnt. An diesem Tag waren vor uns bereits vier Frühaufsteher durch die erste Seillänge geklettert, aber wir probierten's trotzdem mit Gemütlichkeit, man will ja sehr gerne alles onsight machen und nicht ständig irgendwo runtersegeln. Gerade weil Jo so bedacht kletterte, fiel er auch nicht herunter, als ihm bereits der zweite Griff, den er in die Hand nahm, ausbrach. Die Kletterei, die auf die erste Seillänge folgte, war ausnahmslos genial und wir kamen in einem perfekten Flow vorwärts. Wir freuten uns einfach nur in so einer gigantischen Umgebung und an einer Wand mit so guter Felsqualität flott klettern zu können, sodass alle Anstrengung von uns abfiel.

Die kam aber mit einem Schlag wieder zurück, als es an der Zeit war die schwierigen Seillängen zu meistern. Oft sind die Züge nicht ganz easy und gut festhalten muss man sich auch, denn die Schwierigkeiten sind anhaltend und verlangen Technik, Kraft und Ausdauer. Die Ausgesetztheit in der Headwall ist wirklich einprägsam und die Absicherung ist dem alpinen Ambiente angemessen und nicht plaisir- oder sportklettermäßig. Muse zum Camalots-Legen hatten wir zwar nicht, aber das ein oder andere kleine Runout in den schweren Längen, so wie eine hakenlose Dreier-Seillänge und hakenarme Seillängen unterhalb des sechsten Schwierigkeitsgrades erforderten sicheres Steigen, immerhin hat die Route fast 500m. Haben wir aber gut hinbekommen und waren voll happy, als wir den letzten Stand erreichten. Ich war beeindruckt, dass Jo diese lange und anstrengende Tour so kurz nach seiner verletzungsbedingten Zwangspause derart souverän gemeistert hat und auch zufrieden war, die ganze Tour onsight hochgekommen zu sein. Das Abseilen durch die steile Wand war auch spaßig und wenig später schossen wir im Stirnlampenlicht auf unseren Rädern heimwärts. Ich fand's irre schnell, Jo meinte eher gemütlich. So gehen die Einschätzungen auseinander, aber wenn einer radeln kann und der andere klettern, hat man ein perfektes Team zusammen um den "Weg der bunten Steine" zu meistern. Einen ausführlichen Bericht zur Tour gibt's im Routenbuch.
VG Jakob und Jo